Ketan

Ketan - fotografiert von Jürgen Hermann Krause
Ketan - fotografiert von Jürgen Hermann Krause

Man könnte Rolf Tepel, der sich selbst Ketan nennt, als Aussteiger bezeichnen. Nun sind Aussteiger meist sehr mutige Menschen, denn sie setzen das in die Tat um, was andere sich nicht trauen. Denken wir ans Aussteigen, wollen wir meistens weg: auf die Insel, in den Süden, raus aus Deutschland. Die Wünsche sind so vielfältig, wie die Menschen selbst. Aber dass man es auch wagen kann, mitten in einer Großstadt ein Leben zu führen, das nicht der gesellschaftlichen Konvention entspricht, können sich die meisten von uns schon gar nicht vorstellen. Ketan beweist uns das Gegenteil – und lebt! Mitten in Köln, auf einem Brachgelände der Stadt, im Schatten des Amtsgerichts, in seinem selbst gebauten Traumhaus. Wahrscheinlich hätte ich kaum etwas von Ketan erfahren, wäre nicht sein selbst geschaffenes Paradies mitten in der Stadt bedroht. Nachdem das Kölner Stadtarchiv durch Fehler beim U-Bahn-Bau eingestürzt war, hat man in Köln einen neuen Standort für das Stadtarchiv gesucht – und gefunden. 

Am 7. Mai 2010 habe ich Ketan für das Buch „Ein Tag Deutschland” fotografiert. An einem ganz gewöhnlichen Freitag reisten 432 Fotografen durch ganz Deutschland, um festzuhalten, was vor ihrer Kamera geschah. Das Ergebnis ist ein schwergewichtiges Buch mit 640 Seiten, das den Betrachter lange und immer wieder beschäftigen kann. Das Buch ist leider vergriffen, vielleicht aber noch gebraucht zu bekommen. 

Zurück zu Ketan: durch seine selbst und ganz bewusst gewählte Situation muss er natürlich auf einiges verzichten, was für uns selbstverständlich ist. Er hat zum Beispiel kein fließendes Wasser und keinen Stromanschluss. Ein wenig Energie, ausreichend für sein Mobiltelefon und seinen tragbaren Computer, erzeugt er selbst mit Solarzellen. Aber durch seinen Entschluss und seine Konsequenz erreicht er eine Intensität des Lebens, die wir uns ebenso wenig vorstellen können, wie das Aussteigen mitten in der Großstadt.

Doch wie alles auf dieser Welt war auch Ketans Paradies durch die Zeit beschränkt. Sieben Jahre dauerte sein Experiment, und mittlerweile ist er sogar sesshaft geworden. Seine Internetseite www.stein-des-anstosses.de war im Dezember 2024 noch immer erreichbar und gibt weitere Informationen. Auch das WDR Fernsehen berichtete über Ketan: 2014 im Film „Mein Leben im Paradies“ und 2017 in der Reihe "Menschen hautnah" über Ketans Vertreibung aus dem Paradies und sein Leben, nachdem der Traum geplatzt war.